Nach zwanzig Jahren als Nachtwächter im städtischen Leichenschauhaus dachte ich, ich hätte alles gesehen. Die Stille der Toten war mir vertraut geworden, fast schon beruhigend. Aber in meiner letzten Nacht vor der Rente zeigte mir der Tod ein ganz neues Gesicht.
Es war eine ruhige Nacht, wie so viele zuvor. Ich machte meinen üblichen Rundgang, überprüfte die Kühlkammern, füllte die Logbücher aus. Dreizehn Leichen diese Nacht - keine ungewöhnliche Zahl.
Es begann mit einem Geräusch. Ein metallisches Klicken, kaum hörbar. Ich kenne jedes Geräusch in diesem Gebäude, aber dieses war neu. Es kam aus dem Kühlraum.
Als ich nachsah, waren alle Anzeigen normal. Aber etwas fühlte sich anders an. Die Kälte war... anders. Eindringlicher. Fast lebendig.
Die Geräusche wurden lauter. Deutlicher. Und dann sah ich es: Die Temperaturanzeigen aller Kühlkammern fielen gleichzeitig aus. Ein nach dem anderen: *piep* - schwarz. *piep* - schwarz. Dreizehn Mal.
Der Techniker kam nie an. Später erfuhr ich, dass sein Auto auf dem Weg hierher einen unerklärlichen Unfall hatte. Genau um 02:13 Uhr.
Es begann mit Kühlkammer 13. Ein Quietschen, dann ein Klacken. Die Tür schwang auf. Leer. Kammer 12: das gleiche. Leer. Kammer 11, 10, 9... alle leer. Dreizehn leere Kühlkammern.
Ich hörte sie, bevor ich sie sah. Das Schlurfen nackter Füße auf kaltem Beton. Das leise Knirschen steifer Gelenke. Und dann das Flüstern. Oh Gott, das Flüstern...
Sie umzingelten mich. Dreizehn Gestalten, bleich wie der Mond, mit Augen so leer wie die Nacht. Ihre Münder waren zu grotesken Lächeln verzerrt, Y-förmige Nähte auf ihren Körpern klafften auf.
Sie kamen näher, ihre eiskalten Hände nach mir ausgestreckt. Ich rannte nicht weg. Nach zwanzig Jahren hatte ich das nicht verdient. Stattdessen öffnete ich Kammer 14.
Was in dieser Nacht wirklich geschah, werden sie nie erfahren. Sie fanden am nächsten Morgen dreizehn Leichen, ordentlich in ihren Kammern. Und mich, schlafend auf meinem Posten. Mein letzter Arbeitstag.
Ich ging an diesem Morgen in Rente. Aber manchmal, in besonders kalten Nächten, höre ich sie noch. Das Klicken der Kühlkammern. Das Flüstern der Toten. Und ich frage mich, ob sie in Kammer 14 noch einen Platz für mich freihalten...
Kommentare:
MorgueWorker: Arbeite auch im Leichenschauhaus. Die Geräusche sind real...
TruthSeeker: Hat jemand die Logbücher überprüft? Diese Nacht muss dokumentiert sein!
NightGuard: Die Nummer 13 ist kein Zufall. In unserem Krankenhaus auch immer wieder...
LastShift: Der Autor wurde nie wieder gesehen... seine Rente hat er nie angetreten.