Das U-Boot Nereus VII lag wie ein dunkler Schatten in den eisigen Tiefen des Atlantiks. Die Crew bestand aus acht Männern und Frauen, erfahrene Seeleute und Wissenschaftler, die sich auf eine Routine-Mission begeben hatten, um eine Serie ungewöhnlicher Signale aus der Tiefsee zu untersuchen. Niemand wusste, was sie erwarten würde – oder ob sie jemals wieder an die Oberfläche zurückkehren würden.
„Signal erneut empfangen", meldete Lieutenant Harper, die Funktechnikerin, mit bebender Stimme.
Sie saß vor ihrem Terminal, auf dem sich ein endloses Muster aus Codes und Tönen abspielte. Die Signale, die vor wenigen Tagen empfangen worden waren, klangen wie eine unheimliche Melodie – unregelmäßig, aber nicht zufällig.
„Kannst du sie entschlüsseln?" fragte Captain Malone, ein stoischer Mann Mitte fünfzig, der für seine Nervenstärke bekannt war.
„Es ist… seltsam. Es hat Muster, fast wie eine Sprache, aber keine, die ich kenne." Harper hielt inne. „Und sie kommt von 11.000 Metern Tiefe. Aus der Hadalzone."
Ein kollektiver Schauder lief durch die Crew. Die Hadalzone, der tiefste und unzugänglichste Teil des Meeresbodens, war ein Ort, der nur von Mythen und unerforschten Geheimnissen umgeben war.
Das U-Boot tauchte tiefer, begleitet von einem quälenden Ächzen der Metallhülle, die dem zunehmenden Druck standhalten musste. Die Instrumente zeigten Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt und einen Druck, der alles, was unvorbereitet war, zerquetschen würde.
„Wir nähern uns der Quelle", sagte Dr. Fenton, der Ozeanograf. Sein Gesicht war blass, als er auf die Bildschirme starrte. Dort war nichts zu sehen – nur undurchdringliche Schwärze. Doch das Signal wurde stärker.
Dann, plötzlich, tauchte es auf.
Ein Objekt, groß wie ein Gebäude, mit einer Oberfläche, die sich ständig zu bewegen schien, als ob sie lebendig wäre. Es hatte keine erkennbare Struktur, aber es sendete ein unheimliches, pulsierendes Leuchten aus.
„Was zur Hölle…?" murmelte einer der Ingenieure.
„Das ist kein Wrack", sagte Fenton mit zitternder Stimme. „Das… lebt."
Die Crew war hin- und hergerissen zwischen Faszination und blanker Panik. Captain Malone befahl, das U-Boot anzuhalten, doch Harper meldete plötzlich: „Sir, das Signal… es hat sich verändert. Es… es spricht uns direkt an."
„Ihr seid zu weit gekommen."
Die Lichter im U-Boot flackerten, und das Signal verstummte. Einen Moment lang herrschte absolute Stille, bis ein tiefes Dröhnen durch die Hülle ging. Es fühlte sich an, als würde das Meer selbst zu ihnen sprechen.
Dann begann das Objekt, sich zu bewegen.
Es war unbeschreiblich. Die Masse, die sich vor ihnen erhob, war größer als alles, was die Crew je gesehen hatte. Es war, als wäre der Meeresboden selbst lebendig geworden. Tentakelartige Auswüchse schlangen sich in die Dunkelheit, und das Leuchten pulsierte immer schneller, wie ein Herzschlag, der außer Kontrolle geraten war.
„Zurückziehen!" schrie Malone.
Doch es war zu spät. Etwas packte das U-Boot. Ein unvorstellbarer Druck ließ die Hülle ächzen, und die Systeme fielen nacheinander aus. Harper schrie, als ihre Konsole Funken sprühte.
„Das Ding... Es zieht uns runter!" rief Fenton.
Das Objekt – oder Wesen – zog das U-Boot tiefer in die Schwärze. Das Wasser um sie herum begann sich zu verändern, wurde dichter, schwerer, fast wie eine zähflüssige Masse. Die Lichter an Bord erloschen, und die Crew war in völlige Dunkelheit gehüllt.
Dann hörten sie es.
Ein Flüstern. Tausende Stimmen, die gleichzeitig sprachen, direkt in ihren Köpfen. Es war keine Sprache, sondern reine Emotion: Angst, Wut, Verzweiflung. Es fühlte sich an, als würde etwas Fremdes in ihren Verstand eindringen, ihre Gedanken zerfressen.
„Ihr gehört jetzt uns."
Das letzte Signal der Nereus VII wurde an die Oberfläche gesendet, kurz bevor die Verbindung abriss. Es enthielt nur ein einziges, verstörendes Geräusch: ein leises, verzerrtes Flüstern, das sich wiederholte.
„Zu tief… zu tief…"
Die Nereus VII und ihre Crew wurden nie wieder gefunden. Doch gelegentlich, wenn die Wissenschaftler am Meeresgrund lauschen, empfangen sie dasselbe Signal. Ein Klang, der wie ein Ruf wirkt – oder wie eine Warnung, die niemals gehört wurde.
Kommentare:
TiefseeFan: Diese Geschichte lässt mich nie wieder entspannt an den Ozean denken. Brilliant geschrieben!
MarianergrabenExplorer: Die Beschreibung der Tiefseeatmosphäre ist unglaublich packend. Man fühlt förmlich den Druck...
U-BootKapitän: Als ehemaliger U-Boot-Fahrer kann ich sagen: Die technischen Details sind sehr gut recherchiert. Macht es nur noch unheimlicher.